Zeitschrift, Mittelalter 2019/1

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Beschreibung

Elisabeth Crettaz-Stürzel: Preussische Burgenromantik «à la Neuchâtel» im Berner Oberland. Die Thunerseeschlösser Schadau, Oberhofen und Hünegg

Jonathan Frey: Getragen, geflickt, amputiert. Ein Ringpanzerhemd des 14./15. Jh. aus Einsiedeln?

 

e-periodica.ch/2019/1

 

Preussische Burgenromantik «à la Neuchâtel» im Berner Oberland. Die Thunerseeschlösser Schadau, Oberhofen und Hünegg

Die Neuenburger Burgenromantik um die adeligen Familien de Pourtalès und de Rougemont erreichte mit der Schlössertrilogie Schadau, Oberhofen und Hünegg zwischen 1847 und 1863 am unteren Thunersee ihren Höhepunkt. Die familiären Vernetzungen der nach Berlin orientierten Neuenburger und Berner Bauherren samt den eingeheirateten «echten» Preussen bilden den Schlüssel zum Verständnis dieser kleinen royalistischen Burgenrenaisssance in der ansonsten republikanischen Schweiz. Die Architekten kamen wahlweise aus Neuenburg, Bern, Paris und Berlin.

Die drei Thunerseeschlösser entstanden ab der ersten Hälfte des 19. Jh. parallel zur preussischen Burgenromantik am Rhein, welche seit ihrem Beginn 1815 mit Vorliebe die Neugotik anwandte. Doch im Gegensatz zu den meisten Rheinburgen zwischen Bingen, Rüdesheim und Koblenz, wurde am Thunersee die Neurenaissance nach dem Vorbild französischer Loire-Schlösser zelebriert, die Neugotik trat hier in den Hintergrund. Gemeinsam ist den Burgen am Mittelrhein und Thunersee ein romantischer Impetus vor grandioser Naturkulisse mit Wasser und Felsen.

Diese idealisierten Wiederaufbauten alter Burgen (Oberhofen) bzw. Neubauten (Schadau, Hünegg) im Berner Oberland fielen in eine Zeit, in der die Hohenzollernkönige nicht nur die nun preussisch gewordenen Rheinlande, sondern auch ihren seit langem persönlichen Besitz in der Schweiz, die Principauté Neuchâtel et Valangin, des Öfteren besuchten. Das Neuenburger Kunstmuseum widmete diesem Thema die Ausstellung «Sa Majesté en Suisse – Neuchâtel et ses princes prussiens» (2013). Der intensive kulturelle Austausch zwischen Neuenburg und Berlin währte aber länger als die 150 Jahre politische Souveränität der Preussenkönige von 1707 bis 1857 in Neuchâtel und hinterliess vielfältige Spuren, die indessen mit der Zeit aus dem kollektiven Gedächnis verschwanden. Die Thunersee-Schlosstrilogie gehört zu diesem vergessenen bzw. verdrängten «preussischen Erbe» in der Schweiz, das es wiederzuentdecken gilt.

 

Getragen, geflickt, amputiert. Ein Ringpanzerhemd des 14./15. Jh. aus Einsiedeln?

Die geographische Herkunft des so genannten Einsiedler Panzerhemds ist letztlich unbekannt. Sein Grundgeflecht besteht aus gestanzten und vernieteten Ringen und ist nach derzeitigem Forschungsstand in die zweite Hälfte des 14. oder in die erste Hälfte des 15. Jh. zu datieren. Ursprünglich handelte es sich um ein langärmliges Panzerhemd mit Halsschlitz auf der Brust. Die einzige Anpassung an die Körperform des Trägers stellen zwei Erweiterungen auf Hüfthöhe dar. Im Verlaufe des 16. und 17. Jh. erfolgten zahlreiche Reparaturen an den Schulterschrägen und im Bereich unter den Armlöchern, die sich in mindestens drei Phasen gliedern. Im späteren 17. Jh. wurden die mutmasslich bis zu den Handgelenken reichenden Ärmel abgenommen, um daraus Panzerärmel zu fertigen. Ob es sich beim sogenannten Einsiedler Panzerhemd tatsächlich um ein bemerkenswertes Relikt spätmittelalterlicher Schutzbewaffnung handelt, werden erst vertiefte Forschungen zu seiner Herkunft klären können.