Zeitschrift, Mittelalter 2001/1

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Beschreibung

Christoph Reding: Mittelalterarchäologie in den Kantonen St. Gallen und Appenzell – Forschungsgeschichte und aktueller Stand

Christoph Reding: Mittelalterliche Keramik in den Kantonen St. Gallen und Appenzell – Eigenheiten einer Region

Martin P . Schindler: Das 1388 zerstörte Alt-Weesen: eine archäologische Fundgrube

Ulrike B. Gollnick: Burgruine Gams – Archäologische Ausgrabungen und Bauanalyse

Peter Boller und Walter Schläpfer: Balcun At/Hohenbalken, Müstair GR

 

e-periodica.ch/2001/1

 

Mittelalterarchäologie in den Kantonen St. Gallen und Appenzell – Forschungsgeschichte und aktueller Stand

Die Mittelalterarchäologie der Kantone St. Gallen und Appenzell fand ihren Aufschwung zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch die Initiative von Dr.h.c. Gottlieb Felder. Im Zentrum der zahlreichen Bemühungen standen bis zu Beginn des Zweiten Weltkrieges die Erhaltung und Sanierung einsturzgefährdeter Burgruinen (vgl. Tabelle und Karte); die dabei unternommenen Ausgrabungen wurden leider nur ungenügend dokumentiert und praktisch nicht publiziert.

Nach dem Zweiten Weltkrieg führte Franziska Knoll-Heitz die Grabungstätigkeit weiter und verfasste mehrere Publikationen, die lange Zeit die einzigen brauchbaren Ergebnisse der Mittelalterarchäologie für die Ostschweiz lieferten.

1966 wurde in St. Gallen die  Kantonsarchäologie eingerichtet, welche sich aber infolge Finanzmangel auf die Begleitung von Kirchenumbauten beschränken musste. Insbesondere die Stadtkernforschung im Kanton  St. Gallen hatte darunter zu leiden.

Der weitere Unterhalt der Burgruinen hingegen wurde durch die Kantonale Denkmalpflege weitergeführt. In den 70er und 80er Jahren sind mit grossem Aufwand  zahlreiche sanierungsbedürftige Ruinen (vgl. Tabelle und Karte) gesichert worden, sodass heute nur wenige Ruinen in den Kantonen St. Gallen und Appenzell auf eine Konservierung warten müssen; umso dringender sind aber gerade bei diesen die Rettungsmassnahmen.

Mangels Finanzen konnten die vielen Altbefunde wie auch die anfallenden Neubefunde nicht bearbeitet werden. Ein erster Ansatz zur Auswertung bildet die im nachfolgenden Artikel publizierte Uebersicht über die Mittelalterkeramik in der Kantone St.Gallen und Appenzell.

 

Mittelalterliche Keramik in den Kantonen St. Gallen und Appenzell – Eigenheiten einer Region

Die Kantone St. Gallen und Appenzell sind mittelalterarchäologisch schlecht erforscht (vgl. Forschungsgeschichte). Deshalb kann heute erst eine skizzenhafte Uebersicht der Chronologie und Typologie  der mittelalterlichen Keramik erstellt werden.

Es liegen kaum Stratigraphien oder nur wenig absolut datierte Fundkomplexe  vor. Ausserdem zeigt der Vergleich der vorliegenden Keramikformen mit Referenzfundorten aus dem weiteren Umkreis (Winterthur, Konstanz, Thurgau, Graubünden), dass teilweise deutliche Unterschiede vorhanden sind.

So sind z.B. die Kochtöpfe in den Fundkomplexen aus der untersuchten Region generell deutlich untervertreten. Während bei dieser Geschirrgattung die Lippenrand-Formen gut vertreten sind  (vgl. Abb. 2 und 3), ist die typologisch nachfolgende Leistenrand-Form (vgl. Abb. 4) nur selten zu finden.

Geschirrkeramik aus dem 10./11. Jh. ist bis jetzt kaum nachweisbar, erst im 13. Jh. treten archäologisch gesicherte Fundkomplexe in der Ostschweiz auf.  Oellämpchen aus Keramik sind ebenfalls selten, während solche aus Metall oder andere Beleuchtungseinrichtungen aus Eisen eher belegt sind.

Bei der Ofenkeramik liegen Röhren- und Becherkacheln vor. Die typologisch nachfolgenden  Napfkacheln sind die dominierende Kachelform des 14. Jhs. Bei den Pilzkacheln lässt sich nur ein isolierter Fundkomplex auf Neu-Toggenburg nachweisen.  Andere Formen wie Tellerkacheln oder Bestandteile des gotischen Turmofens sind bis jetzt untervertreten.

Erst das intensive Aufarbeiten von zahlreichen bisher unbearbeiteten Fundkomplexen wie auch allfälliger Neufunde aus den Kantonen St. Gallen und Appenzell werden es ermöglichen, die Fragen der Chronologie und Typologie und deren Unterschiede zu den Nachbarregionen zu klären.

 

Das 1388 zerstörte Alt-Weesen: eine archäologische Fundgrube

Die am Westende des Walensees gelegene Stadt Weesen wurde im 13. Jh. gegründet. Der Handel und die Konzentration der habsburgischen Verwaltung machten sie zu einem Zentrum im Linthgebiet. Nach der Schlacht bei Näfels (9.4.1388) wurde die Stadt ohne Plünderung verbrannt und durfte anschliessend nicht mehr aufgebaut werden.

Grössere Notgrabunen von bescheidener Qualität fanden 1978, 1988 und 1993/94 im Stadtgebiet statt. Dank des Einsatzes von Freiwilligen aus Weesen konnten Informationen und Fundmaterial gerettet werden. Dabei zeigte es sich, dass die 1388 zerstörte Siedlung ohne grosse Störungen die Zeit überdauerte und ein grosser Teil des Hausinventars noch vorhanden ist.

Damit wird Weesen zu einem bedeutenden Fundort spätmittelalterlicher Sachkultur. Bislang fehlt leider eine wissenschaftliche Inventarisierung, Bearbeitung und Auswertung sowie Restaurierung der Funde.

 

Burgruine Gams – Archäologische Ausgrabungen und Bauanalyse

Ein Bauprojekt im Bereich der 1963 entdeckten Burg Gams bot Anlass für die Notgrabungen in den Jahren 1999 und 2000: Ein Anbau sollte an das im Originalbestand erhaltene Toggenburger Bauernhaus aus dem ausgehenden 18. Jahrhundert errichtet werden.

Da urkundliche Nachrichten über die Burg fehlen, bilden die Ergebnisse der Ausgrabungen die einzigen Hinweise auf den Standort und die Gestalt der bis zu vier Meter hoch erhaltenen Burgruine.

Die Burganlage besteht aus einer einphasigen Kernburg auf trapezförmigem Grundriss mit Wohn- und Hofbereich und einer Umfassungsmauer, die Wohngebäude einschliesst. Die topographische Situation der Geländeterrasse lässt auf eine ehemalige Ausdehnung von 90 m x 50 m schliessen.

Funddatierung, 14C-Analysen und Mauertechnik belegen, dass die Burg nur im 13. Jahrhundert bewohnt war. Sie wurde durch eine einzige mächtige Erschütterung, möglicherweise ein Erdbeben, zerstört und danach nicht wieder aufgebaut.

Über ihre Erbauer und Bewohner geben die archäologischen Befunde und Funde (Tierknochen, Waffenteile, Bronzegussabfall, unglasierte Geschirr- und Ofenkeramik) nur bedingt Auskunft. Ein Kachelofen und ein reich verziertes Keramikgefäss repräsentieren wohl kaum die gesamte Ausstattung, sind aber als ein Hinweis auf einen gewissen Wohlstand der Burgherren von Gams zu werten.