Zeitschrift, Mittelalter 2016/1

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Beschreibung

Armand Baeriswyl: Das Schloss Thun und der grosse Turm – vom zähringischen «Donjon» zum bernischen Kornhaus. Zum Stand der Erkenntnisse nach zwanzig Jahren Forschung

 

e-periodica.ch/2016/1

 

Das Schloss Thun und der grosse Turm – vom zähringischen «Donjon» zum bernischen Kornhaus. Zum Stand der Erkenntnisse nach zwanzig Jahren Forschung

Untersuchungen im Burghof des Schloss Thun zeigten, dass die Fundamente des zähringischen Turms eine Abbruchschicht schneiden, die einen zuvor niedergelegten mittelalterlichen Steinbau belegen. Ausserdem lassen wiederverwendete Balken im Turm, die dendrochronologisch ins mittlere 12. Jh. datieren, auf eine Vorgängeranlage am Ort schliessen. Ausdehnung und Grundrissgestalt dieser Burg des wohl 12. Jh., möglicherweise der Stammsitz der Herren von Thun, bleiben vorderhand unbekannt.

Die Bauforschungen am Turm zeigten aber eines in aller Deutlichkeit: Des heutige Bauwerk ist mitsamt den runden Eckmassiven aus einem Guss entstanden. Im Innern scheint der Turm ursprünglich nur zwei Geschosse aufgewiesen zu haben, den grossen Saal und ein nicht weiter unterteiltes Sockelgeschoss darunter, das wahrscheinlich funktionslos war.

Die 19 im Verband mit dem Mauerwerk stehenden Balken der Saaldecke konnten dendrochronologisch datiert werden (1156d und 1199d/1200d). Dieser Turmbau entstand also unter den Zähringern um 1200 und gehört damit in die Zeit von Herzog Bertold V. (um 1160–1218).

Da es in diesem Bauwerk ursprünglich keine Wohnräume gab, handelt es sich nicht um einen «Donjon», sondern um einen repräsentativen, erhöhten Saalgeschossbau in Turmform. Sein einziger Funktionsraum war der Saal.

Ab 1430 kam es zu einer umfangreichen Erneuerung der Anlage durch Bern, das seit 1384 im Schloss den Sitz des Schultheissen eingerichtet hatte. Über dem Saal entstand ein zusätzliches Vollgeschoss. Auf dieses neue Geschoss setzte man den vollständig neu gezimmerten Walmdachstuhl (1434d/1435d).

Ab 1565 wurde ein bestehender Bau an der südlichen Ringmauer zum so genannten Neuen Schloss als Residenz des bernischen Landvogte um- und ausgebaut. Spätestens in jener Zeit wurde der alte Saal im grossen Turm überflüssig. Zwischen 1616 und 1620 wurde der Turm deshalb zum Kornhaus und Gefängnis umgebaut. Diese Situation blieb bis zum Untergang des Berner Ancien Régime im Jahr 1798 weitgehend unverändert.