Beschreibung
Marco Redolfi: Die mittelalterliche Jagd und ihre Darstellung im Codex Manesse
Die mittelalterliche Jagd und ihre Darstellung im Codex Manesse
Die Manessische Liederhandschrift mit ihren verschiedensten Abbildungen zum Thema der Jagd ist eine der wichtigsten Quellen für das höfisch-adlige Weidwerk des späten Mittelalters. Die Abbildungen über verschiedene Jagdformen und Jagdbräuche geben auf anschauliche Weise Auskunft.
Dennoch müssen aber gewisse Einschränkungen gemacht werden, was die Aussagekraft der Abbildungen betrifft. Die Miniaturen der Manessischen Liederhandschrift beschränken sich auf die Darstellung des höfischen und adligen Lebens des Mittelalters. Insofern gibt der Codex Manesse also lediglich die höfische Jagd wieder. Dass aber im Mittelalter nur der Adel gejagt hat, wäre selbstverständlich eine falsche Schlussfolgerung.
Die Darstellung des höfischen Lebens in all seinen Einzelheiten in Form einer Selbstdarstellung, als welche der Codex Manesse betrachtet werden muss, bringt auch eine gewisse Idealisierung der realen Verhältnisse mit sich. Das soll aber nicht heissen, dass die dargestellten Handlungen erfunden sind – im Gegenteil: Gerade durch diese Art von Idealisierung weisen die Abbildungen eine Unmenge von Details auf, welche einen interessanten Aufschluss über die mittelalterlichen Bräuche, Geräte, Kleider oder Repräsentationsformen geben.
Trotzdem gibt es aber auch einen gewissen Mangel, was die Darstellung der mittelalterlichen Jagd anbelangt. Dargestellt wird die Beizjagd mit Vögeln, die Hetzjagd und die Jagd auf den Bären. Auffallend ist hingegen das Fehlen der Gebirgsjagd auf Gemsen und Steinböcke, welche meistens durch mehrtägige Jagdausflüge betrieben worden ist. Denn gerade diese Jagdform wurde fast nur vom Adel betrieben und nicht etwa von der bäuerlichen Bevölkerung. Ebenfalls findet sich auch keineswegs das komplette Jagdwild des Mittelalters vertreten.
Was aber die Darstellung der verschiedenen Jagdtechniken, Waffen, Kleider oder sonstigen Hilfsmittel betrifft, kann keinerlei Kritik angebracht werden. Besonders die heraldische Ausrüstung tritt durch ihre Detailtreue in den Vordergrund, was auch wieder mit der Idealisierung zusammenhängt, da gerade die heraldische Ausrüstung als statussymbolisches Abzeichen für die Zugehörigkeit zur ritterlichen Oberschicht zur Schau getragen worden ist.
Trotz einer idealisierenden Darstellungsweise und gerade wegen dem damit zusammenhängenden Hang zu Details sind die Miniaturen der Manessischen Liederhandschrift eine der wichtigsten Quellen für die Erforschung der höfischen Jagd, wie für das ganze höfische Leben des Mittelalters.