Zeitschrift, Mittelalter 2001/3

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Beschreibung

Victor Desarnaulds und Yves Loerincik: Schalltöpfe in Kirchen des Mittelalters

 

e-periodica.ch/2001/3

 

Verschiedene Kirchen in Europa, ungefähr 20 davon in der Schweiz, besitzen in ihren Mauern Schalltöpfe. Eine systematische Untersuchung dieser speziellen Gefässe wurde in den Kirchen von Syens, Grandson, Villette und Granges-près-Marnand in der Waadt durchgeführt. In der Regel wurden im 13. bis 15. Jahrhundert als Schalltöpfe Gefässe des Alltages verwendet. Sie weisen deshalb auch keine spezifische Form auf, sondern zeigen die von der Gebrauchskeramik her bekannte Formenvielfalt.

Die Schalltöpfe wurden in die Mauern bestimmter Kirchen eingebaut, um die Akustik zu verbessern. Die Anwendung solcher Töpfe geht vermutlich auf antike Tradition zürück, nach der  bronzene Töpfe unter die Sitzreihen der Amphitheater eingebaut wurden. Im Gegensatz dazu sind im Mittelalter die Schalltöpfe meistens in die Kirchengewölbe oder um die Kirchenfenster in die Mauern eingesetzt worden. Die Anordnung erfolgte in einfachen geometrischen Mustern.

Es gibt einige mittelalterliche Textüberlieferungen, die die Verwendung dieser Töpfe zum Verstärken oder Nachhallen der Musik oder Sprache beschreiben. Trotzdem wird die Wirkung dieser Schalltöpfe heute kontrovers interpretiert. Wie die modernen physikalischen Untersuchungen ergaben, kann im einen Fall der Schalltopf den Ton einzelner Frequenzen verstärken und den Nachhall verlängern, im anderen Fall gerade den Nachhall verkürzen und den Ton dämpfen.

Die Untersuchungen von Desarnauld zeigen nun, dass die akustische Unterschiede beim Kirchenraum auch konfessionell, bzw. in der Liturgie bedingt sind. War eine Kirche ursprünglich für die katholische Konfession mit Gesang, Orgel und Predigt gebaut, ist für die Musik ein grosser Nachhalleffekt und für den Einzelgesang eine Tonverstärkung erwünscht. Bei den reformierten Kirchen konzentriert sich die Akustik auf das Wort (Zwingli und Calvin hatten den Einbau von Orgeln verboten), weshalb diese Räume nur wenig nachhallen dürfen. Darin liegt möglicherweise der Grund, dass die Schalltöpfe, die die Nachhallwirkung verstärkten, mit dem Aufkommen der Reformation im 16. Jahrhundert im Kirchenbau nicht mehr eingesetzt wurden.