Zeitschrift, Mittelalter 2024/2

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Beschreibung

Miriam Derungs: Der Mäuseturm vor Güttingen TG – «… ein alt gewaltig Plockhausz …»
Auswertung der mittelalterlichen Funde und Befunde der Tauchuntersuchungen
des Amts für Archäologie Thurgau 2008, 2012 und 2017–2020

Etwa 250 m vor Schloss Güttingen TG befindet sich im Bodensee eine künstlich erhöhte, trapezförmige Untiefe von 30×25 m mit den Überresten des sog. Mäuseturms. Als Erbauer dieser Anlage werden die Freiherren von Güttingen vermutet, die zwischen 1159 und 1357 auch die Burgen Kachel/Güttingen und Moosburg am Seeufer errichteten.

Das bereits aus der Luft erkennbare 15×15 m grosse Quadrat aus massiven Pfählen bildete die Stütze des in der ersten Hälfte des 11. Jh. errichteten Turmes (Phase 1). Zu dieser Zeit war der Bau von fünf Pfahlreihen umgeben und aufgrund des mutmasslichen damaligen Bodenseespiegels muss zumindest in Phase 1 die Kuppe der Untiefe teilweise über Wasser gelegen haben (393,6 m ü. M.), sonst hätte sich keine Kulturschicht (Schicht 5) gebildet.

Der für Phase 2 (um 1150) angenommene leichte Anstieg des Seespiegels und die angegriffene Bausubstanz des Turms führten zu einem Neubau mit einer veränderten Fundamentbauweise. Hierfür wurde die Untiefe im Süden durch eine Steinschüttung vergrössert, die die inneren drei Pfahlreihen teilweise oder vollständig verschüttete. Die Anordnung der Pfahlreihen wurde angepasst und durch einen äusseren Graben sowie eine weitere Pfahlreihe ergänzt. Das Fundament setzte sich aus einer mit Steinen verfüllten Blockbaurost-Konstruktion zusammen, die seitlich von den mächtigen Eichenpfählen des Quadrats gestützt wurden. Auf diesem, über das Wasser ragenden, stabilen Fundament oder Sockel wurde ein ca. 12×12 m grosser Blockbauturm errichtet. Datierende Funde und Befunde unterstützen eine zweiphasige Nutzungsdauer der Untiefe im Mittelalter.

Vergleichsbeispiele aus dem Bodensee und dem Vierwaldstättersee verifizieren einerseits die Fundamentbauweise von Gebäuden im Wasser. Anderseits zeigen sie, dass im 11.–13./14. Jh. in Schweizer Gewässern häufiger Türme aus Holz oder Stein errichtet wurden. Die Schleifung des Mäuseturms ist anhand der belassenen, zweilagigen Holzrostkonstruktion und der wenigen nach 1275 datierten Funde und Befunde nach 1300 anzusetzen. Die wehrhaften, hölzernen Wohntürme in Schweizer Gewässern sind Zeugen des frühen Burgentyps Holz- und Erdburg auf künstlich angeschütteten Hügeln, die im Verlauf des 12. und 13. Jh. aufgelassen wurden.

 

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