Zeitschrift, Mittelalter 2022/2

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Beschreibung

Christoph Rösch: Burgen im Kanton Solothurn – ein Überflug

Mirjam Wullschleger: Altreu – ein mittelalterliches Städtchen an der Aare

Andrea Nold: Solothurn – Leben und Arbeiten in der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Stadt

Daniel Gutscher: Oberbipp BE: Schloss Bipp – «…ganz ausgeplündert und verheert worden»

 

Burgen im Kanton Solothurn – ein Überflug

Der Flug über die Solothurner Burgen ist ein Flug über Landschaften unterschiedlicher naturräumlicher und herrschaftlicher Prägung. Zwangsläufig ergibt sich ein heterogenes Bild des greifbaren Baubestandes. Die unterschiedlichen Anlagen sind als Querschnitt des Burgenbaus vom 10. bis ins 15. Jh. im Gebiet des Mittellandes, des Juras und des Oberrheins zu verstehen, welcher von verschiedene Adelsfamilien geprägt wurde. Die Stadt Solothurn als Agitator und einigende Macht im Raum des späteren Kantons tritt erst im Verlauf des 15./16. Jh. sichtbar auf die Burgenbau-Bühne und damit in die Fussstapfen der früheren Herrschaftsfamilien. Nur eine Anlage wurde zur neuzeitlichen Festung ausgebaut. Die anderen Burgen wurden als Landvogteisitze den baulichen Bedürfnissen angepasst und unterhalten. Der private Ausbau mittelalterlicher Burgen zu neuzeitlichen Schlössern blieb eine Randerscheinung.

Schon bald nach 1900 setzte eine rege Auseinandersetzung mit den Burgruinen im Kanton ein. Für die jüngere Zeit ist die Forschungstätigkeit von Werner Meyer in den 1960er/70er-Jahren hervorzuheben. Im Rahmen verschiedener Ausgrabungen gewann Meyer burgenkundliche Erkenntnisse und Hinweise auf historische Entwicklungen im Besonderen, aber auch wichtige Resultate zur Entwicklung des mittelalterlichen Wohnbaus im Allgemeinen.

Noch weitgehend unerforscht sind die an die Hauptburg angefügten, tieferliegenden und ummauerten Vorburgareale, welche noch intakt oder auf Bildquellen erkennbar sind.

Neben der baulichen Entwicklung darf die Burg als Wohnstätte mit entsprechender Ausstattung und als Zentrum einer landwirtschaftlichen und vielleicht gewerblichen Produktion nicht ausser Acht gelassen werden. Die zahlreichen Ausgrabungen und bauhistorischen Untersuchungen führten zu einem Fundbestand, der erst in Ansätzen ausgewertet ist.

So bleibt als wenig überraschendes Fazit dieses Überflugs die Erkenntnis, dass viel Forschungsarbeit auf niedriger Flughöhe nötig ist, um das Wissen über die prägenden mittelalterlichen Bauzeugen zu erweitern.

 

Altreu – ein mittelalterliches Städtchen an der Aare

In der zweiten Hälfte des 13. Jh. gründeten die Grafen von Neuenburg-Strassberg das Städtchen Altreu auf ihren Besitzungen südlich von Selzach. Eine Ringmauer mit Doppelgraben umgab das 150 × 120 m grosse Stadtareal. Die zur Gasse hin orientierten Wohnhäuser waren in Mischbauweise aus Stein und Holz errichtet. Die auf etwa 350–450 Einwohner geschätzte Bevölkerung setzte sich aus Gewerbetreibenden, Handwerkern, Händlern und Landwirten zusammen. Gemäss der chronikalischen Überlieferung wurde Altreu 1375 zerstört. Tatsächlich lässt sich im Städtchen eine Brandkatastrophe in der zweiten Hälfte des 14. Jh. archäologisch nachweisen. Ob der Brand den «Guglern», einer Söldnertruppe, anzulasten ist, bleibt offen. Das endgültige Aus kam 1389, als die Stadt Solothurn die Herrschaft Altreu erwarb. Die neuen Herren hatten kein Interesse, die kleine Konkurrenzstadt wiederaufzubauen. So wurde das Städtchen aufgegeben und geriet in Vergessenheit.

 

Solothurn – Leben und Arbeiten in der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Stadt

Solothurn war im Mittelalter und in der frühen Neuzeit die grösste und wichtigste Stadt im Kanton Solothurn. Sie war seit 1409 freie Reichsstadt, vergrösserte zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert vorwiegend mit friedlichen Mitteln ihr Territorium und trat als Stadtstaat 1481 der Eidgenossenschaft bei. Für das Stadtbild von Solothurn bestimmend waren die St.-Ursenkirche, deren Bau mindestens ins 11. Jh. zurückging, und die Stadtmauern aus dem 13. Jh. Neben weiteren öffentlichen und privaten Grossbauten gab es drei Badestuben. Die an der Aare gelegene Krutbadstube wurde im späten 15. Jh. gebaut, 1642 umgebaut und 1705 abgerissen. Neben dem Baden waren die Körperpflege und die medizinische Versorgung ein wichtiges Angebot der Badestube und des Baders. Weitere Gewerbe wie die Gerber, Schuhmacher oder Hafner konnten ebenfalls anhand von Funden und Befunden archäologisch nachgewiesen werden.

 

Oberbipp BE: Schloss Bipp – «…ganz ausgeplündert und verheert worden»

Schloss Bipp bildete zusammen mit der ins Frühmittelalter zurückreichenden Kirche Oberbipp das Zentrum der Herrschaft Bipp, lange Zeit frohburgisch, dann neuenburg-nidauisch, dann kyburgisch und schliesslich bernisch. Von 1463 bis 1798 residierten hier 62 Berner Landvögte.

Die Burg gehört zur Gruppe der Höhenburgen mit Rundturm und Palas, ein in der Nordwestschweiz verbreiteter Burgtypus. Nach Brandschatzung und Plünderung Anfang März 1798 kam der mittelalterliche Landvogteisitz Schloss Bipp auf die Liste der zu veräussernden Objekte. Nach 1805 war sie Steinbruch bis der Basler Politiker Johann Jakob Stehlin-Hagenbach (1803–1879), Stehlin d.Ä, bei seinen zahlreichen Fahrten seit 1848 nach Bern dem Reiz der Anlage erlag und Schloss Bipp 1852 erwarb. Durch seinen Sohn, den Architekten Johann Jacob Stehlin-Burckhardt (1826–1894), Stehlin d.J., entstand neben der mittelalterlichen Burgruine ein winkelförmiger Neubau in klassizistisch-neugotischen Formen, den Altbestand bewusst in die romantische Gartenanlage integrierend. Es entstand eine originelle Schöpfung des «Medieval Revival» neben einer frühen Ruinenkonservierung im archäologischen Sinne, d.h. unter Respektierung des Originals in seiner überlieferten Fragmentierung. Die Ruine sowie der Schlossbau mit seinen hervorragenden Historismus-Interieurs ist noch heute im Besitz derselben Familie und wurde von den Erbinnen in den vergangenen Jahren in Zusammenarbeit mit Kantonaler Denkmalpflege und Archäologischem Dienst vorbildlich restauriert.

 

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