Zeitschrift, Mittelalter 2014/1

CHF 12.50

Beschreibung

Werner Meyer: Die Turnierstadt Basel

Armand Baeriswyl: Eine Turnierdarstellung aus der Zeit um 1300 – Die Ritzzeichnungen im Schlossturm von Spiez

Alain Besse et Gaëtan Cassina: Dauphiné gegen Savoyen : Lanzenstechen oder politischer Kampf in der Valeria von Sitten? Heraldische Zier und ritterliche Auseinandersetzung in der Caminata (um 1330)

Christof Rolker: Turnier-Ordnung: Das Wappenbuch des Konrad Grünenberg

Peter Niederhäuser: Im Zeichen adliger Identitätsfindung? – Das Familienbuch des Hans von Hinwil von 1541

 

e-periodica.ch/2014/1

 

Die Turnierstadt Basel

Basel gilt vom 13. bis 15. Jh. als bekannte Turnierstadt. Bevorzugte Termine sind die Fastnachtstage und der 8. September, der Geburtstag Marias, der Stadtpatronin.

Turniert wird auf dem Münsterplatz, nahe beim Haus zur Mücke, wo der Adel seine Feste feiert. Die Kampf- und Reiterspiele umfassen den Turnei (Massenkampf, Buhurt) und die Tjost (Zweikampf zu Pferd, Lanzenstechen).

Archäologische Spuren des Turnierwesens sind bei Burgengrabungen in Basels Umgebung zum Vorschein gekommen.

Ein besonderes Turnier bildet der Zweikampf , der 1428 zu Fuss mit mehreren Waffen zwischen einem spanischen  und einem Basler Ritter ausgetragen wird. Die Turniere sind oft von Unfällen begleitet. In Zeiten politischer Spannungen drohen sie, in Tumulte umzuschlagen.

An der «bösen Fastnacht» von 1376 kommt es zu schweren Ausschreitungen, die Basel in politische Schwierigkeiten bringen, weshalb in der Folgezeit Turniere nur noch unter massiven Sicherheitsvorkehrungen stattfinden können. Das letzte Turnier in Basel ist für 1491 bezeugt.

 

Eine Turnierdarstellung aus der Zeit um 1300 – die Ritzzeichnungen im Schlossturm von Spiez

Im Eingangsgeschoss des massiven Turmes von Schloss Spiez sind im Verputz von Fensternischen zahlreiche Ritzzeichnungen aus der Zeit um 1300 erhalten geblieben. Bei einer Neugestaltung des Museums 2012 wurden die Zeichnungen dokumentiert und gereinigt.

Mehrere Ritter auf ihren Pferden sind durch ihre Wappen und ihren Helmschmuck (Zimier) identifizierbar: die Herren von Weissenburg, die Herren von Ringgenberg, die Grafen von Neuenburg-Nidau und die Grafen von Greyerz. Zwei Darstellungen zeigen die Turnierform des Lanzenkampfs (Tjost) zwischen zwei Rittern.

Derartige Darstellungen sind nur indirekt zu datieren. Stilistische Kriterien im engeren Sinn versagen bei solchen Zeichnungen. Präziser zu datierende Elemente sind die dargestellten Helme und die Schilde, die die Ritzzeichnungen von Spiez höchstwahrscheinlich in die Zeit um 1300 datieren.

Inhaltlich sind die Spiezer Darstellungen ein typisches Produkt der ritterlichen Adelskultur des 13. und 14. Jh. Zentrales Element dabei ist das Wappen und der Helmschmuck. Die Lebensnähe der vielen Details – Rüstungen, Lanzen, Pferde, Wappen – lassen stark vermuten, dass es junge Knappen waren, die im späten 13. oder frühen 14. Jh. das Erlebte als Ritzzeichnung wiedergaben.

 

Dauphiné gegen Savoyen : Lanzenstechen oder politischer Kampf in der Valeria von Sitten? Heraldische Zier und ritterliche Auseinandersetzung in der Caminata (um 1330)

In der Burg des Domkapitels auf dem Valeria-Hügel von Sitten, wurde zu Beginn des 14. Jh in einem Gebäude, das ein Jahrhundert zuvor erbaut wurde, ein Saal neu ausgestattet. Ein gemalter Dekor, der die Wände, die Decke und einen Kamin bedeckt, wurde im Verlauf von bauarchäologischen und historischen Forschungen genauer untersucht; unterstützt wurden die Ergebnisse durch dendrochronologische Datierungen und einer genauen Prüfung der Objekte während der Restaurierung 1997­­–98.

Dieser vielschichtige Forschungsansatz führt zu neuen Erkenntnis über die Caminata, den Festsaal in der Valeria. Zunächst musste die bisherige Datierung des Gebäudes (um 1225/30), welche um 1900 mittels historischer Forschung vorgeschlagen wurde, aufgrund der dendrochronologischen Fakten revidiert werden.

Sowohl die Befunde am Bau wie die Daten der Dendrochronologie und die stilistischen Merkmale führen zu einer neuen Interpretation der heraldischen Elemente: In Verbindung mit einer Turnierszene auf dem Kamin erinnern sie stark einem veritablen (politischen) Kampf.

Der historische Kontext bestätigt eine Datierung des Saales auf das Ende des ersten Drittels des 14. Jh., die gut mit der Darstellung von politischen Zwischenfällen und regionaler Auseinandersetzungen dieser Epoche zusammenpasst.

Aymo von Turn, Bischof von Sitten und bedeutender Grundherr im Wallis, nahm die Einsetzung als Lehensträger der Grafen von Savoyen nicht an, da er deren Expansionsbestrebungen im Wallis fürchtete.

Aus der mächtigsten Familie des Wallis im 13. und 14. Jh stammend, residierte er auf der Gestelnburg bei Raron. Ursprünglich kam die Familie aus der Dauphiné (südliche Savoyeralpen), weshalb er 1327 mit dem Dauphin von Viennois ein Schutz- und Angriffsbündnis schloss; der Dauphin war nämlich ein erklärter Gegner der Savoyer, die er mit der Unterstützung weiterer regionaler Familien wie z.B. der Grafen von Genf und den Herren von Charolon-Arlay bekämpfte.

Die Wappen auf den Wechselbalken beim Kamin, oberhalb der Turnierszene, in der sich die Dauphiné und Savoyen gegenüberstehen, erinnern an diese Koalition, zeigen gleichzeitig aber auch Savoyen mit seinen wappenmässigen Eltern, den Königen von Frankreich und England.

Der Bischof von Sitten, dessen Wappen Teil eines Schilden-Fries an der Wand des Saales ist, wollte damit zum einen an einen Sieg erinnern, den seine künftigen Verbündeten 1325 über Sayoyen erlangten, und damit die Erfolge seiner Politik darstellten, zum anderen aber auch an den Frieden von 1329, der das politische Gleichgewicht für kurze Zeit sicherte.

Solange das Domkapitel die Herrschaft über den Hügel und damit auch über die Burg hatte, war dem Bischof nur mit kleinem Gefolge erlaubt, sich hier aufzuhalten; er besass erst ab der Mitte des 14. Jh. ein eigenes Gebäude, und dieses ist vermutlich dasjenige, in dem sich der Festsaal, Caminata genannt, befand – ganz am unteren Rand der Burg, gleich neben dem Wachtlokal.

 

Turnier-Ordnung: Das Wappenbuch des Konrad Grünenberg

Das Wappenbuch des Konstanzer Bürgers und Ritters Konrad Grünenberg († 1494) ist eines der umfangreichsten, wichtigsten und auch schönsten Wappenbücher des Mittelalters. An vielen Stellen nimmt es Bezug auf Turniere, vor allem die Turniergesellschaften der «Vier Lande», und tatsächlich ist das ganze Werk von Grünenbergs idealisiertem Bild dieser Gesellschaften strukturiert.

Während die Konstanzer Adelsgesellschaft, der er selbst angehörte (die «Katz»), in seinem Wappenbuch keine Rolle spielt, sind die Turniergesellschaften ausgesprochen prominent – auch wenn der Autor selbst nie an einem Turnier teilgenommen hatte und keiner dieser Gesellschaften angehörte.

Gerade deshalb wird deutlich, wie wichtig das Turnier um 1500 war, wenn es darum ging, ‹Adel› zu definieren; nicht nur reale, sondern auch imaginäre Turniere waren tatsächlich ‹Siebe des Adels›, wie es der Dominikanermönch Felix Fabri († 1502) ausdrückte.

 

Im Zeichen adliger Identitätsfindung? Das Familienbuch des Hans von Hinwil von 1541

Das 1541 von Hans von Hinwil verfasste, wenig bekannte Familienbuch mit einer «historischen» Einleitung und Wappen der Eheverbindungen bietet einen anschaulichen Einblick in Adelskultur und adliges Selbstverständnis im 16. Jh. Ähnlich wie die vergleichbaren Bücher der Herren von Eptingen und Hallwyl steht hier weniger die autobiografische Perspektive eines Autors als familienpolitische Anliegen im Zentrum.

In dieser Beziehung orientierte sich Hans von Hinwil, Schlossherr zu Elgg und Dienstmann zuerst des Bischofs von Konstanz, später des Abtes von St. Gallen, an süddeutschen Vorbildern. Im Rahmen einer «Ritterrenaissance» entstanden Turnier- und Adelsbücher, die das möglichst hohe Alter und den adligen Rang einer Familie hervorhoben und so die eigenständige Rolle des (niederen) Adels betonten.

Zusätzliches Gewicht erhielt diese Betonung durch die Ahnenprobe, dank welcher sich der Adel von städtischen Patriziern abgrenzte. Wollte Hans von Hinwil mit dem Familienbuch seinem Geschlecht eine «bessere» Geschichte zuschreiben, als die urkundliche Überlieferung zulässt?