Zeitschrift, Mittelalter 2012/2

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Beschreibung

Peter Karrer: Burgenarchäologie im Kanton Luzern – ein Lauf durch die Forschungsgeschichte

Jürg Manser: Der Zytturm an der Museggmauer und die älteste Stadtuhr von Luzern

Christoph Rösch: Das Haus «Weid» in Meggen Rüeggiswil

Fabian Küng: «… ein leibhaftiges Märchen aus alten Zeiten.» – Das mittelalterliche Richensee

 

e-periodica.ch/2012/2

 

Burgenarchäologie im Kanton Luzern – ein Lauf durch die Forschungsgeschichte

Nach heutigem Forschungsstand sind im Kanton Luzern 97 Burgen und Schlösser bekannt, dazu kommen noch 35 vermutete Burgstellen. Nur knapp ein Viertel dieser mittelalterlichen Wehr- und Repräsentationsbauten waren bis heute Gegenstand archäologischer Grabungen und bauanalytischer Untersuchungen.

Ins Blickfeld der Forschung geraten die einstigen Adelssitze allmählich am Ende des 19. Jh. In der Frühphase der Burgenarchäologie waren es vor allem historische Gesellschaften, Heimatvereine und Private, die sich mit viel Hingabe, oft aber mit eben so wenig methodischem Fachwissen den Wehrbauten annahmen.

In diese Epoche fallen u.a. die Grabungen auf den grossen Burganlagen des Kantons wie der Ruine Oberrinach bei Herlisberg 1888 und 1940, der Nünegg bei Lieli 1930/31 oder der Äusseren Burg Wolhusen 1930–35.

Mit der Ernennung des ersten Kantonsarchäologen 1954 und der Überarbeitung der gesetzlichen Rahmenbedingungen 1960 wird die Archäologie institutionalisiert, professionalisiert und endgültig der staatlichen Hoheit unterstellt.

Mangelnde personelle Ressourcen hatten aber zur Folge, dass man selbst bei zerstörerischen Baueingriffen an den historischen Denkmälern nur zögerlich aktiv wurde und die archäologischen sowie bauanalytischen Abklärungen an den betreffenden Objekten auf ein Mindestmass beschränkt blieben. Grössere Untersuchungen wie jene der Hasenburg bei Willisau 1958/59 oder der Salbüel (Hergiswil bei Willisau) 1982 kamen weiterhin nur auf Initiative Aussenstehender zu Stande.

Erst mit dem Ausbau der Kantonsarchäologie ab 1985 verbessert sich die Situation. Mit wachsendem Personalbestand wurde es möglich, sich konsequent und systematisch den bedrohten Zeugen des Mittelalters anzunehmen.

Dennoch beschränkte sich die Aktivitäten in der Regel auf Notgrabungen. Forschungsgrabungen sind infolge des gesetzlichen Auftrages der Kantonsarchäologie und der finanziellen Mittel kaum möglich. Der Schutz der besser erhaltenen Burganlagen kann oft nur dank Geldern von Stiftungen und Burgvereinen gewährleistet werden.

Es waren mit der Nünegg, der Äusseren Burg Wolhusen und der Ruine Oberrinach vor allem die bereits weitgehende erforschten Anlagen, die im Zuge von Konservierungsmassnahmen, wieder Gegenstand von Grabungen und bauanalytischen Untersuchungen wurden. In die Liste der neu erforschten Objekte reihen sich unter anderem die Innere Burg Wolhusen 1988/92, das Schloss Heidegg 1989­–98 ob Gelfingen und die Neu-Habsburg in Meggen 1989/90 ein.

In den letzten Jahren hat sich die Lage wieder verschärft. Substanzielle Budgetkürzungen bei der Archäologie und Denkmalpflege im Kanton Luzern und langsam versiegende Bundesbeiträge haben den Vollzug des gesetzlichen Auftrages dieser Dienststellen schon fast verunmöglicht, und dies betrifft nicht nur die Burgen und Schlösser.

Trotz der angespannten finanziellen Lage war es der Kantonsarchäologie möglich, mit der Sanierung und Untersuchung der Kastelen bei Alberswil 1998–2002 oder der Grabung auf der Stadtburg «Bergli» in Willisau 2003 einige grössere Projekte im Bereich der Burgenforschung durchzuführen.

Aktuell steht die umfassende Restaurierung der Ruine Nünegg auf dem Programm, die trotz wiederkehrenden Sanierungsmassnahmen mittlerweile vom Einsturz bedroht ist.

 

Der Zytturm an der Museggmauer und die älteste Stadtuhr von Luzern

Öffentliche Uhren sind heute eine Selbstverständlichkeit und allgegenwärtig. Der oftmals geradezu aufdringlichen öffentlichen Zeitangabe, sei es optisch oder akustisch, kann sich niemand entziehen. Ganz im Gegensatz zum frühen 14. Jh., in dem die öffentliche, die Stunden schlagende Uhr noch eine technische Sensation und entsprechend selten war.

Die Stadtuhr verkörperte in der spätmittelalterlichen Stadt Fortschrittlichkeit, Wohlstand und Prestige. Spätestens seit Beginn des 15. Jh. musste jede Stadt, die etwas auf sich hielt, eine derartige Uhr besitzen, je ausgeprägter das städtische Selbstbewusstsein, desto kostbarer und komplexer die Ausführung.

Luzern mochte hier nicht hintanstehen und erwarb 1385 die erste Uhr, welche 1403 im Zytturm der Museggmauer, dem Symbol städtischen Selbstbewusstseins schlechthin, einen prominenten Platz erhielt. Ihre Sonderstellung bewahrte sich die Uhr bis heute: als einzige Uhr in der Stadt Luzern schlägt sie die volle Stunde eine Minute vor der Zeit!

 

Das Haus «Weid» in Meggen-Rüeggiswil

1989 wurde in Rüeggiswil bei Meggen LU ein Blockbau mit fassadenbündigen Boden-Deckenbohlen entdeckt. Das Haus lässt sich in eine hoch- und spätmittelalterliche Wohnbaugruppe im Raum Vierwaldstättersee (insbesondere Schwyz/Uri) eingliedern, wies aber auch verschiedene Baudetails auf, die nicht zu dieser Wohnbaugruppe passen.

Dieser Blockbau konnte dendrochronologisch in die Jahre um 1310 datiert werden. 1509(d) wurde das Haus erweitert und zwar in einer eigentümlichen Vermischung aus Blockbau und Bohlenständerbau. Vermutlich bei dieser Bauphase wurde Altholz des Blockbaus aber auch wieder verwendetes Holz des 13. Jh. verbaut (Eichenpfosten und Schwellen).

Im 19. Jh. erfuhr das Haus einen weiteren tiefgreifenden Umbau. Leider blieb für die Dokumentation dieses höchst interessanten Bauzeugen nur zwei Wochen Zeit, bevor er abgebrochen wurde. Die dazugehörige Scheune von 1502(d) kann heute auf dem Ballenberg besichtigt werden.

 

«…ein leibhaftiges Märchen aus alten Zeiten.» – Das mittelalterliche Richensee

Zwischen 1237 und 1242 errichteten die Grafen von Kyburg auf bisher unbebautem Gelände am nördlichen Ufer des Baldeggersees eine Burg, die als Sitz ihres Vogtes diente und von welchem aus die kyburgischen Güter und Rechte im Seetal und im Michelsamt verwaltet wurden.

Die noch heute erhaltene monumentale Ruine des Turms stellt einen der beeindruckendsten Vertreter der mittelalterlichen Megalithbauweise dar.

Das um den Turm entstehende Dorf Richensee nimmt als eine von Altsiedelland umgebene Neugründung eine Sonderstellung in der Siedlungslandschaft des Seetals ein.

Es entwickelt sich in der zweiten Hälfte des 13. Jh. zum Marktort, die Burg wird gleichzeitig zum Verwaltungszentrum eines habsburgischen Amtes. Im Herzen des Dorfes zeugt noch heute neben der Turmruine die so genannte «Alte Schmitte» – wohl ein habsburgisches Verwaltungsgebäude – von dieser Bedeutung des Ortes.

Der Marktort Richensee hat jedoch weder rechtlich noch baulich je den Status einer städtischen Siedlung erreicht. Die Reste der bei Grabungen 1938 vermeintlich entdeckten Stadtmauer entpuppen sich bei näherer Betrachtung als die neuzeitliche Uferverbauung der durch den See und den Aabach natürlich geschützten Halbinsel.

Das in chronikalen Aufzeichnungen des 15. Jh. erscheinende «Städtchen» Richensee hat somit weder als kyburgische noch als habsburgische Gründung existiert. Der Begriff «Stadt» sollte im Zusammenhang mit Richensee künftig nicht mehr verwendet werden.