Beschreibung
Armand Baeriswyl: Schloss Burgdorf – neue Erkenntnisse zur Bau- und Nutzungsgeschichte der zähringischen Burg
Heinrich Boxler: Von der Burg zum Schloss. Ein Beitrag zur Unterscheidung von Burg und Schloss aus der Sicht der Burgnamenforschung
Schloss Burgdorf – neue Erkenntnisse zur Bau- und Nutzungsgeschichte der zähringischen Burg
Bei der Sanierung der Burganlage von Burgdorf 2018 bis 2020 kam es zu boden- und bauarchäologischen Untersuchungen durch den Archäologischen Dienst des Kantons Bern. Die Untersuchungen zeigten, dass die 1985 von Jürg Schweizer vorgestellten Erkenntnisse weiterhin gültig sind: Die Burg entstand um 1200 unter Herzog Bertold V. von Zähringen neu, und die drei Hauptbauten aus jener Epoche, der Bergfried, der Palas und die ebenerdige Halle haben sich bis heute erhalten.
Die Untersuchungen brachten aber auch neue Erkenntnisse. So konnte archäologisch nachgewiesen werden, dass die bestehende kyburgische Ringmauer aus der zweiten Hälfte des 13. Jh. einen zähringerzeitlichen Vorgänger hat. Zentral ist die Erkenntnis, dass die zähringische Kernburg wohl bereits eine Vorburg im Westen und eine Vorburg im Osten besass. Eine Mauer trennte die Kernburg von einer rund 5 m tiefer liegenden östlichen Vorburg ab. Diese war in der nördlichen Ringmauer mit einem Tor ausgestattet.
Ein zähringischer Mauerrest führt ausserdem zur Vermutung, dass diese Vorburg im Osten mit einem Steingebäude abgeschlossen wurde, dessen Nachfolger das heute noch bestehende kyburgische Steingebäude wäre. In der westlichen Vorburg gab es bereits in der Zähringerzeit einen imposanten Torturm (mit Tordurchgang und möglicherweise Wohngeschossen darüber), der 1559 durch ein kleineres Exemplar ersetzt wurde. Kurz: die Burg um 1200 bestand aus einer Kernburg und zwei Vorburgen, und diese enthielten wahrscheinlich je ein Tor und einen repräsentativen mehrgeschossigen Steinbau.
In Burgdorf wurde um 1200 eine pfalzartige «Residenzburg» errichtet. Anlagen dieser Rangordnung waren darauf ausgelegt, als «temporäre Regierungssitze» von Fürsten oder Königen zu funktionieren. In den Zeiten dazwischen standen sie leer, bewacht von sogenannten Burgmannen, Ministerialen, die vom hochadligen oder königlichen Burgherrn mit der Aufgabe der Burghut betraut waren. Sie hatten Residenzpflicht und lebten in der Burg. Dafür erhielten sie nicht nur ein Dienstlehen ausserhalb der Burg, sondern einen in der Burg gelegenen Wohnsitz von hofartiger Grösse, der sich durch entsprechende Baumerkmale auszeichnete. Die Steinbauten in den zwei Vorhöfen der Schlossanlage von Burgdorf waren womöglich Burgmannensitze.
Von der Burg zum Schloss. Ein Beitrag zur Unterscheidung von Burg und Schloss aus der Sicht der Burgnamenforschung
Im Mittelalter werden die bewohnten Wehrbauten im deutschsprachigen Raum gemeinhin als Burg, später als Veste und gegen Ende der Epoche als Schloss bezeichnet. Mit dem Namen Burg wurden frühe Städte bezeichnet. Seit dem Aufkommen der Burgen schränkte sich diese Bezeichnung immer stärker auf Wehrbauten ein, während nun für die wehrhafte Siedlung der Name Stadt gebraucht wurde. Während im Begriff Burg bewusst oder unbewusst die Bedeutung von «bergen, schützen» mitschwingt, geht das Wort Veste auf das Adjektiv fest zurück und bezeichnet etwas Kraftvolles, Abwehrendes. Diese neue Bezeichnung entsprach dem gesteigerten Bewusstsein von Wehrhaftigkeit, wie es dem Adligen des Hochmittelalters entsprach. Der Wechsel könnte vielleicht auch etwas mit dem Wechsel vom Holzbau zum Steinbau zu tun haben. Vielleicht steckt aber hinter den Wörtern Veste und Schloss nur eine neue Namenmode, wie man sie dann wählt, wenn ein Wort seine Strahlkraft verloren hat. So wird beispielsweise aus dem Coiffeurgeschäft eine Hair Lounge.
Bei den Burgnamen dürfte vor allem das gewachsene Standesbewusstsein des Adels zur neuen Bezeichnung Schloss geführt haben. Schon im 11. Jh. begnügten sich die Adligen meist nicht mehr mit ihren Vornamen allein. Sie wählten einen Beinamen, mit dem sie Besitzansprüche geltend machten. Graf Hartmann wurde zum Grafen Hartmann von Kyburg. Das wachsende Selbstbewusstsein des Hochadels führte seit dem 12. Jh. zu Prunk- und Trutznamen, wie sie bald auch vom niederen Adel gewählt wurden. In der Folge konnte man dem Burgnamen nur noch mit einem vorangestellten Hohen- neuen Glanz verleihen. Danach war eine weitere Steigerung des Wortes nicht mehr möglich. Es ist die Zeit, in der die Adligen ihren Wehrbau als Schloss zu bezeichnen begannen. Wehrbauten, die noch bewohnt waren, sowie herrschaftliche Bauten der Neuzeit bezeichnete man nun als Schlösser. Unbewohnte oder abgegangene Wehrbauten hingegen blieben Burgen.