Beschreibung
Christoph Rösch: Das Haus Schlossergasse 3 in Luzern und sein Dachwerk im Kontext
Kaspar Egli: Die spätgotischen Häuser von Lutter (Département Haut-Rhin) – Eine umfassende Studie von Marc Grodwohl
Das Haus Schlossergasse 3 in Luzern und sein Dachwerk im Kontext
Das bislang in die erste Hälfte des 16. Jh. datierte Dachwerk des grosszügigen Luzerner Altstadthauses Schlossergasse 3 konnte dank einer dendrochronologischen Neudatierung ins Jahr 1353 gesetzt werden. Hundert Jahre nach seiner Errichtung findet sich das Haus im Besitz von Angehörigen der politischen und wirtschaftlichen Führungsschicht Luzerns. Wenn das Stadthaus noch in der zweiten Hälfte des 15. Jh. höchsten repräsentativen Ansprüchen genügte, war dies zur Zeit seiner Erbauung zweifellos nicht anders. Es verlor seine hervorragende Stellung innerhalb der Luzerner Wohnhäuser erst im Verlauf des 19./20. Jh. Die historische Innenausstattung wurde in den 1940er- und 50er-Jahren grossteils ausgeräumt. Glücklicherweise blieb das Dach in seinem Ursprungszustand als bedeutender Zeuge des mittelalterlichen Zimmermannhandwerks erhalten.
Dieses kann anhand konstruktiver Merkmale einer Gruppe von Dächern zugewiesen werden, welche vom ausgehenden 13. bis ins 15. Jh. auf Gebäuden im heutigen Schweizer Mittelland, in Südwestdeutschland und im Elsass erstellt wurden. Allein in der Stadt Luzern und der Umgebung sind vier weitere dieser Dachwerke erhalten oder dokumentiert.
Die Dachwerke verfügen über Querbinder, die als Hängebünde oder in der Gesamtheit zusammen mit dem zentralen Längsbund als Hängewerk funktionieren. Als augenfälliges, in diesem Aufsatz verfolgtes Merkmal liegen im Dreieck von Binderbalken, Hängeholz und Bindersparren Unterzüge. Sie übermitteln die Dachlast an die Hängebünde, welche diese konzentriert an die Hauswände abgegeben. Zwischen den Hängebünden kommen den Unterzügen aufliegende, mit Holznägeln gesicherte Rafen oder am Dachbalken/Sattelholz arretierte Sparren vor. Entsprechend den Konstruktionsvarianten funktionieren die aufgehängten Unterzüge bei den Rafendächern zur Lastübertragung auf die Hängebünde, bei den Sparrendächern zur Längsaussteifung.
Dachwerke mit derart positionierten Unterzügen wurden auf verschiedenen Gebäudetypen (Profanbauten, Sakralbauten) mit unterschiedlichen Dachformen aufgerichtet. Sie vereinen Elemente von Rafen- und Sparrendächern und bilden so die Voraussetzung für spätmittelalterliche und neuzeitliche Konstruktionsweisen.
Die spätgotischen Häuser von Lutter (Département Haut-Rhin) – Eine umfassende Studie von Marc Grodwohl
Um 1530, nach dem Bauernkrieg, beginnt in Lutter eine neue Bauperiode mit gemauerten Gebäuden, zunächst mit Speichern und bald darauf mit Wohnhäusern. Die gemauerten Häuser des 16. Jh. waren zumeist zwei- und vereinzelt dreigeschossig und hatten ein mit Ziegeln gedecktes Satteldach ohne Walm. Das Erdgeschoss diente wirtschaftlichen Zwecken und in den Obergeschossen befanden sich die Wohnräume. Im Obergeschoss gab es einerseits eine Flurküche mit dem Herd, dem Backofen und dem Schürloch für den Stubenofen und andererseits die geheizte Stube und eine ungeheizte Kammer. Der Zugang in das Obergeschoss erfolgte auf der einen Traufseite des Hauses über eine hölzerne Aussentreppe und eine Laube. Es scheint, dass die Stallscheunen an das Wohnhaus angebaut waren, wobei es jeweils zwei separate Gebäude waren. Es sind also «falsche» Vielzweckbauten, fausse maison-bloc, oder anders gesagt ferme à bâtiments dissociés compacte. Die Stallscheunen waren von der Strasse zurückversetzte Ständerbauten, vermutlich gedeckt mit Schindeln.
Die Häuser des 16. Jh. waren reich im gotischen Stil verziert. Die Stuben hatten dreiteilige Staffelfenster und die Kammern Zwillingsfenster. Viele Fenster hatten im Sturz einen Kielbogen. Es gab auch den Vorhangbogen und das Stabwerk, und fast an jedem Haus finden sich mehrere Ecksteine mit Halbkugeln. Im 16. Jh. entsprechen die Verzierungen in Lutter dem Stil der Häuser im welschen Jura und in der Franche-Comté.
Nach 1600 zeigen sich technische Neuerungen herbeigeführt durch das Streben nach Komfort. Küche und Stube sind jetzt im Erdgeschoss, und die Stube ist unterkellert. Einige Treppenstufen führen zum Hauseingang. Man kommt zunächst in einen Vorraum und nicht mehr gleich in die Küche. Das obere Geschoss dient weiterhin dem Wohnen, der Wohnraum ist nun aber doppelt so gross. Die Scheune steht hinten im Hofraum und quer zum Haus. Es ist ein Mehrbauhof, das klassische Sundgauer Gehöft, wie man es im nördlichen Sundgau schon im 16. Jh. kennt. Die Verzierungen sind jetzt spätgotisch und im Stil der Renaissance des Oberrheins. Lutter hat gebrochen mit der Beziehung zum welschen Jura und sich nach Norden und nach Osten zum Rhein hin ausgerichtet.
Der Dreissigjährige Krieg erreicht 1633 das Oberelsass und der Hausbau kommt zum Erliegen. Nach dem Krieg, in der 2. Hälfte des 17. Jh., wird der Steinbau vom Fachwerk abgelöst. Man baut Vielzweckbauten, d. h. das Wohnhaus und das Ökonomiegebäude befinden sich nun unter demselben Dach. Der Vielzweckbau reflektiert den Druck des Bevölkerungswachstums, die verstärkte Parzellierung des Grundeigentums und den verminderten Bedarf nach Scheunen und Ställen. Die Fachwerkhäuser sind weitgehend schmucklos.
Die Steinbauphase in Lutter dauerte von 1530 bis 1630, d. h. vom Ende des Bauernkriegs bis zum Anfang des Dreissigjährigen Kriegs. Der Steinbau war während hundert Jahren ein glanzvolles Zwischenspiel, und dominieren das Ortsbild von Lutter noch heute.