Zeitschrift, Mittelalter 2020

CHF 12.50

Beschreibung

Peter Niederhäuser: Von der Grafenburg zum Geschichtsmuseum: Schloss Frauenfeld

Aline von Raszewski: Marie Bachmanns Vermächtnis. Schloss Frauenfeld und das Historische Museum Thurgau

Martin Hüeblin: Bauten des 14.–17. Jahrhunderts in der Altstadt von Steckborn TG

 

e-periodica.ch/2020/2

 

Von der Grafenburg zum Geschichtsmuseum: Schloss Frauenfeld

Als das Schloss Frauenfeld 1960 als Historisches Museum seine Tore öffnete, wurde es als altes Zentrum des Thurgaus angepriesen. Was für die Zeit der eidgenössischen Landvögte ab dem 16. Jh. zweifellos zutrifft, ist für das Mittelalter keineswegs eindeutig, denn die Überlieferung zur frühen Geschichte ist lückenhaft.

Dank dendrochronologischen Untersuchungen lässt sich der Bau auf die 1230er-Jahre datieren; Auftraggeber waren wohl die Grafen von Kyburg, die in umstrittenem Gebiet ihren Vorrang demonstrierten. Während der Ortsname 1246 erstmals erwähnt wird, taucht die Burg 1361 als Besitz der Hofmeister von Frauenfeld erstmals in den Quellen auf. Diese Hofmeister lassen sich auf einen Vogt Rudolf zurückführen, der 1256 als kyburgischer Vogt in Frauenfeld belegt ist. Seine Nachkommen machten unter den Habsburgern Karriere, ehe sie gegen Ende des 14. Jh. an Bedeutung verloren und Burg Frauenfeld an die Herren von Hohenlandenberg übergeben mussten. Weder die Hofmeister noch die Hohenlandenberg übten im Thurgau landesherrliche Aufgaben aus, hatten zumindest im späteren Mittelalter keine Kontrolle über die Stadt Frauenfeld und besassen keine direkt zur Burg gehörigen Herrschaftsrechte. Das Schloss war ein repräsentativer Sitz, aber ohne besonderen herrschaftlichen Rang.

1534 änderte sich die Situation. Die eidgenössischen Orte erwarben für ihre im Turnus von zwei Jahren regierenden Landvögte einen standesgemässen Sitz, der wohl in der Mitte des 17. Jh. mit der Ausschmückung des Gerichtssaals eine bemerkenswerte heraldische Ausstattung mit den Wappen aller Vögte erhielt. Das Schloss war jetzt Verwaltungsmittelpunkt, doch die eidgenössische Herrschaft und damit die Stellung der Landvögte war ambivalent. Da zum Schloss selbst kaum Ländereien und Rechte gehörten, beruhte die Landvogtei vor allem auf der Landeshoheit mit der Rechtsprechung und den Bussen. Sollte der eindrückliche Wappenfries im Gerichtssaal von diesem Manko ablenken und die Herrschaft der Gnädigen Herren legitimieren helfen?

 

Marie Bachmanns Vermächtnis. Schloss Frauenfeld und das Historische Museum Thurgau

Schloss Frauenfeld hat eine bewegte Nutzungsgeschichte hinter sich und beherbergt heute das Historische Museum Thurgau. Nachdem es im Mittelalter bis zum Ende der Alten Eidgenossenschaft als Landvogteisitz gedient hatte, fiel es 1803 an den neu gegründeten Kanton Thurgau, der hier aus ökonomischen Gründen seine junge Verwaltung unterbrachte.

1867 sollte es abgerissen werden. Der Kauf des Schlosses durch die Thurgauische Hypothekenbank und der damit sichere Abbruch waren fast schon besiegelt, als Oberrichter Johann Jakob Bachmann die Hypothekenbank überbot und den Bau für sich beanspruchte. Sein Sohn Jakob Huldreich nutzte Schloss Frauenfeld als repräsentativen Familiensitz, daneben besass er ein grosses Anwesen in Stettfurt und eine Stadtwohnung in Zürich. Der ambitionierte Richter hatte weitreichende Pläne für das Schloss und konzipierte es als Mittelpunkt eines der Kantonshauptstadt würdigen Parks. Der Bau des Postgebäudes 1896 machte Bachmann einen Strich durch die Rechnung, woraufhin die Familie Frauenfeld verliess und im Schloss Mietwohnungen einrichtete. Letzter Spross der Familie und damit alleinige Erbin von Schloss Frauenfeld war Marie Elise Bachmann. Die kulturaffine Bildungsbürgerin hatte selbst keine Nachkommen und vermachte den Bau zusammen mit der umfangreichen historischen Sammlung der Familie 1948 auf ihr Ableben hin dem Kanton Thurgau, damit dieser darin ein Museum einrichte.

1960 wurde das Historische Museum Thurgau feierlich eröffnet. Über die Donatorin selbst ist in den Thurgauer Geschichtsbüchern nichts zu finden, da sie als Frau keinen Platz in der traditionell männlich dominierten Geschichtsschreibung hatte. Heute ergibt sich ein differenzierteres Bild von Marie Bachmann, einer Thurgauerin, welche leidenschaftliches Interesse für kunsthistorische Artefakte und Innenarchitektur hegte, in evangelischen Kreisen verkehrte und eine soziale Ader hatte.

 

Bauten des 14.–17. Jahrhunderts in der Altstadt von Steckborn TG         

Die ersten mit Dendrochronologie datierten Bauten in Steckborn beginnen mit dem «Turmhof», einem für den Stadtherren, den Abt der Reichenau, 1280/81 erstellten Wehrturm direkt am See. Kurz nachdem die Stadt 1313 ein Marktrecht erhalten hatte, lassen sich bereits erste Dendrodaten in Wohnbauten feststellen (Haus Seestr. 96, um 1320 bzw. 1390). Weitere Baukerne und Bauteile datieren ins 15. Jh., bevor die Nachweise im 16. und 17. Jh. immer zahlreicher werden.  Auch wenn viele Gebäude Fassaden des 17.–19. Jhs. aufweisen, hat sich doch bei den meisten Untersuchungen gezeigt, dass sehr oft noch Kerne oder Bauteile aus dem Mittelalter vorhanden sind, die bis ins 14. Jh. zurückgehen können. Alle Umbauten in der Steckborner Altstadt sollten deshalb bauarchäologisch begleitet werden. Gesicherte Aussagen zur Bauentwicklung der Altstadt können erst nach Vorliegen weiterer Grabungen und Bauuntersuchungen gemacht werden. Als Muster könnte die Altstadt von Bischofszell dienen, wo fast alle Bauten in der Kernstadt, die vor dem Brand von 1743 entstanden sind, datiert werden konnten.