Zeitschrift, Mittelalter 2019/3

CHF 12.50

Beschreibung

Marie-Paule Guex und Gaëtan Cassina: Das Viztum-Schloss von Sierre

Lorenzo Fedel: Drei päpstliche Bleibullen aus dem Kanton Thurgau

 

e-periodica.ch/2019/3

 

Das Viztum-Schloss von Sierre

Die Aussenhülle des Viztum-Turms von Sierre, auch Viztum-Schloss genannt, wurde 2014/15 saniert. Die Fundamente wurden vollständig überholt und ausgebessert, während an den Fassaden nur diejenigen Stellen abgespitzt wurden, die erneuert werden mussten. Durch die bauarchäologische Untersuchung kann die Baugeschichte des Gebäudes präziser beschrieben werden. Diese Ergebnisse wurden mit den Schriftquellen verglichen. Das erlaubte die genauere absolute Datierung von Bauetappen. Die Dendrodatierung könnte das erhaltene Schema noch ergänzen, wenn das Gebäude auch im Innern erneuert würde.

Das Bauwerk war in seinem ursprünglichen Zustand viel niedriger und bestand aus einem Kellergeschoss, einem Erdgeschoss, einem Obergeschoss und einen Dachraum. Es hatte ein Satteldach mit Treppengiebeln. In der Fassade wurde einige Erkerfenster festgestellt, aber die Lage des Haupteinganges ist unbekannt.

Der Vitztum war ein weltlicher Offizier von hohem Rang und adliger Vasalle des Bischofs. Er bewohnt dieses Gebäude während seinen häufigen Aufenthalten in Sierre, manchmal auch als feste Residenz. Die erste Erwähnung des Viztum-Turmes erscheint 1424, als Besitz von Petermand de Chevron, Viztum von Sion und Sierre zwischen 1419 und 1476. Aber mehrere Akten aus dem letzten Drittel des 14. Jh. erwähnen einen niedrigen Turm und weitere Bauten in diesem Viertel von Sierre. Ob einer der erwähnten Türme mit unserem Bau zu identifizieren ist, ist nicht ausgeschlosssen.

In einer zweiten Bauphase wurde der Turm um sechs Meter (zwei Etagen) erhöht, mit vier Erkertürmchen versehen und einem Treppenturm mit Wendeltreppe ergänzt. Um die Last der Erhöhung aufnehmen zu können, musste das Fundament durch angeschrägte Stützmauern an allen vier Seiten verstärkt werden. Diese Arbeiten scheinen im ersten Viertel des 16. Jh. ausgeführt worden zu sein. Auf diese Datierung deutet ein Wappenrelief der Chevron-Villete über der Tür im Treppenhaus des ersten Stockes an; Francois de Chevron war Viztum von 1503 bis 1528. Allerdings wurde das Einfügen dieses Reliefs nicht genauer untersucht ; es bleibt deshalb unklar, ob der Wappenstein nicht erst später an diese Stelle eingefügt wurde.

Das Erdgeschoss des Turmes wurde anschliessend herrschaftlich ausgebaut, indem grosse Fenster in die Stützmauer gebrochen wurden. Dieser Befund zeigt, dass zu jener Zeit die Strasse rund 1,20 m abgetieft wurde. Am ganzen Gebäude sowie an der östlichen Hofmauer sind Spuren dieser Terrainveränderung zu sehen. Vermutlich zur selben Zeit wurde an die Ostfassade ein Nebengebäude angefügt, ebenso ein Latrinenturm. Diese Veränderungen erfolgten wohl im 17. Jh. obwohl die Schriftquellen dieser Epoche wenig Information zu diesem Ausbau geben. Hingegen zeigen die Schriftquellen, dass der Turm im 18. Jh. seine ursprüngliche Verwaltungsfunktion verlor, als das Vitzum von den Chevron an die Familie von Monthey überging.

Das Gebäude selbst gelangte ab 1725 in den Besitz der Famille de Courten ; aber deren Geschichte ist mehr als ein Jahrhhundert lang nur schlecht dokumentiert. Zwischen 1830 und 1839 wurde der Turm durch Joseph-Elie-Marie de Courten tiefgreifend renoviert; dieser Bauherr liess wenig später auch den Turm von Goubing erneuern. An Stelle der kleinen Fenster wurden grosse Fensteröffnungen ausgebrochen und das Dach neu aufgesetzt. Aus unbekannten Gründen wurde die Kellerdecke abgesenkt und demzufolge der Kellerboden abgetieft.

Die archäologische Erforschung des Innern im Rahmen einer möglichen, aber wünschenswerten künftigen Renovation wird sicher noch genauere Angaben zur Entwicklung und Datierung dieses Gebäudes bringen.

 

Trad. Thomas Bitterli, Basel

 

Drei päpstliche Bleibullen aus dem Kanton Thurgau

In den vergangenen Jahren kamen dank dem Einsatz von Metalldetektoren auf dem Gebiet des heutigen Kantons Thurgau drei päpstliche Bleibullen (Bleisiegel) aus dem Spätmittelalter zum Vorschein. Eine klare Identifizierung des ursprünglichen Empfängers und die Bestimmung des Verlustzeitpunkts und dessen Umstände konnten wie so oft bei Bodenfunden ohne archäologischen Kontext nicht erfolgen.

Während beim Fundstück aus Tägerwilen der Schluss nahe liegt, dass es sich um ein bewusst entsorgtes Bleisiegel handeln könnte, welches mittels Latrinenentleerung aus der Stadt Konstanz auf die naheliegenden Felder in Tägerwilen gelangte, ist bei den beiden Fragmenten aus Pfyn möglicherweise ein absichtliches Vergraben in den Feldern als apotropäische Amulette gegen Mäusefrass und andere Schädlinge zumindest denkbar.

Die drei Thurgauer Fundstücke ordnen sich in eine Reihe analoger Fundobjekte aus dem Gebiet der heutigen Schweiz ein.