Zeitschrift, Mittelalter 2008/1

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Beschreibung

Daniel Gutscher: Die Burgruine Ringgenberg – Zur bauarchäologischen Untersuchung und Restaurierung 2006–2008

André Schnyder: Ein «Minnesänger» auf Burg Ringgenberg: Freiherr Johannes I. und seine Sangsprüche

Peter Lüps und Marc Nussbaumer: Dienten die Nischen im Turm zu Ringgenberg wirklich der Beizjagd?

Jost Rodolphe Poffet: Der Ringgenberger Handel von 1381

Alfred Hidber: Neues zur Baugeschichte des Schlosses Sargans

 

e-periodica.ch/2008/1

 

Die Burgruine Ringgenberg. Zur bauarchäologischen Untersuchung und Restaurierung 2006-2008

Der 1670/71 erfolgte Einbau der Kirche in die mittelalterliche Burg hat die Ringgenberger Anlage zu einem der reizvollsten Ensembles und die evang.-ref. Kirchgemeinde zur „Burgherrin“ werden lassen. Da die letzte umfassendere Sanierung am Burgmauerwerk in den Jahren 1946–49 erfolgte, ist es wenig erstaunlich, dass jetzt Konservierungsarbeiten in grösserem Umfang anstanden: An vielen Stellen war der Mörtel dermassen ausgewittert, dass akuter Steinschlag bestand. Die Konservierungsarbeiten erfolgten nach bauarchäologischer Untersuchung in der warmen Jahreszeit 2006 und 2007. Der Einbau einer Treppenanlage im Turminnern macht die Ruine auch für einen breiten Kreis von Interessierten attraktiver. Die Arbeiten wurden im wesentlichen unterstützt durch Bund, Kanton, Lotteriefonds, Kirchgemeinde und viele weitere öffentliche und private Sponsoren.

Zu den wichtigen neuen Erkenntnissen gehören die Feststellung, dass die Anlage von Anfang an, d.h. um 1240, dem späteren Grundriss entsprach und um 1300 eine Ausbauphase erlebte. Diese brachte im Turm den Festsaal, der einziger nutzbarer Raum im Gebäude war. Typologisch scheidet der Turm damit als Wohnturm aus und gehört in die Gruppe der Nachfolgebauten des Donjons von Thun, der Säle mit turmartigem Unterbau und direkter äusserer Erschliessung. Die Rekonstruktion einer umlaufenden Galerie liefert einen über den lokalen Befund hinaus interessanten Beitrag zur Ausstattung der Festsäle auf Burgen. Von besonderer Bedeutung schliesslich sind die Befunde der Nischen an der Aussenfassade und die Überlegungen zu deren möglichen ‚Inszenierung’ im Rahmen einer der Falkenjagd.

 

Ein „Minnesänger“ auf Burg Ringgenberg: Freiherr Johannes I. und seine Sangsprüche

Freiherr Johann I. von Ringgenberg ist mit drei Seiten und einer Miniatur in der Manessischen Liederhandschrift (A. 14. Jh.) vertreten. Er gehört allerdings nicht zu den Minnesängern, sondern zu den Spruchdichtern. Während der Minnesang den adligen Sängern vorbehalten war, galt die Spruchdichtung, ebenfalls mit Gesang vorgetragen, als nicht-aristokratische Genre. Als Vortragende von Spruchdichtung treffen wir deshalb meist nicht-adlige Sänger an. Sie verdienten als Fahrende ihr Brot, indem sie von Burg zu Burg, von einem Fest zum anderen, oder von einer Stadt zur anderen zogen, und ihre Texte, eigene und fremde, vortrugen.

In den 17 erhaltenen Strophen finden wir eine vielfältige Gedankenwelt des Dichters. Einige Texte umkreisen religiöse Themen, andere behandeln ethische Fragen, mehrfach wird die Frau als von Got hervorgehobenes Geschöpf gepriesen, zweimal verwendet er das Glücksrad als Sinnbild. In der Regel sind es belehrende Texte.

Bemerkenswert an Johann von Ringgenberg ist, dass er sich als Adliger in der (nicht-aristokratischen) Spruchdichtung der Fahrenden versucht. Vielleicht erfahren wir aber durch diese Dichtung, was Johnnes alles am Herzen lag bei seinem wohl vielfach mühsamen Alltag als kleiner adliger Grundherr im Abwehrkampf gegen Habsburg und die Stadt Bern.

 

Dienten die Nischen im Turm zu Ringgenberg wirklich der Beizjagd?

An der Aussenfassade der Süd- und Ostseite des Turmes befinden sich insgesamt 56 Aussparungen in der Wand, die in zwei oder drei Reihen regelmässig angeordnet sind; sie sind um 1300 mit dem Turmbau angebracht worden. Diese Öffnungen mit je einer vorkragender Steinplatte als Dach und als Bank werden als Nistplätze für Vögel gedeutet. Als Brutvogel kommt am ehesten die Taube in Frage; es fragt sich allerdings wozu. Denn die Nistplätze sind vom Turminnern nicht erreichbar, und von aussen nur mit über 30 m hohen Leitern.

Es ist möglich, dass die Tauben für die Beizjagd (Falknerei) eine Bedeutung hatten; die Beizjagd ist im Berner Oberland durch verschiedene Befunde aus dem 12./13. Jh. nachweisbar, obwohl das Gebiet nicht sehr geeignet dazu ist. Vielleicht wollte der Bauherr aber den Schwalben als Frühlingsbote und Glücksbringer einen Nistplatz einrichten. Der Befund ist im Burgenbau der Schweiz einzigartig, weshalb vermutet wird, dass sich diese an südländischen Burgen häufig anzutreffende Einrichtung hier nördlich der Alpen nicht bewährte.

 

Der Ringgenberger Handel von 1381

Im Laufe des Jahres 1380 lehnten sich die Herrschaftsleute gegen den Freiherrn Petermann von Ringgenberg auf. Dieser Aufruhr hatte sowohl politische als auch wirtschaftliche Gründe. Auslöser war offenbar die Herrschaftsausübung Petermanns. Unterwalden, welches schon seit Ende des 13. Jh. territoriale Interessen südlich des Brünigs und im Raum des Brienzersees verfolgte, griff ein und unterstützte die Aufrührer, der Freiherr wurde gefangen und nach Unterwalden geführt. Hintergrund des gewaltsamen Vorgehens der Unterwaldner gegen die Herrschaft Ringgenberg war eine politisch-wirtschaftliche Umwälzung in Ob- und Nidwalden. Die Aktion führte zum Konflikt mit der Stadt Bern, welche das Oberland als seine Einflusssphäre betrachtete. Die Eidgenossen, deren Bund Bern 1353 beigetreten war, schützten die Berner Ansprüche. Unterwalden musste wieder aus dem Gebiet südlich des Brünigpasses abziehen.

Dieser sogenannte Ringgenberger Handel von 1381 markiert für Obwalden und für Bern eine wichtige Etappe bei der Territorialbildung und Verfassungsentwicklung.

 

Neues zur Baugeschichte des Schlosses Sargans

Dank seiner Funktion als Vogteisitz der Alten Orte blieb der ehemalige Stammsitz der Grafen von Montfort-Werdenberg-Sargans vor dem Zerfall bewahrt. Seitdem das Schloss 1899 in den Besitz der Ortsgemeinde Sargans gelangt ist, hat es drei grössere Restaurierungen erfahren: 1900 Gesamtrestaurierung unter Eugen Probst, 1964 Innenrestaurierung des Bergfrieds (Walther Sulser), 1969 Aussenrestaurierung (Walter Fietz). Da bei dieser letzten Restaurierung keine Bauuntersuchung vorgesehen war, wurde eine solche auf privater Basis durchgeführt. Dank ihr konnten einige neue Erkenntnisse zur Baugeschichte des Monuments gewonnen werden. Neuere Detailbeobachtungen und dendrochronologische Untersuchungen am Gebälk des Bergfrieds brachten zwar weitere Klärung, viele Fragen werden jedoch offen bleiben müssen.

Es darf davon ausgegangen werden, dass der Bergfried um 1200 an der Stelle eines Vorgängerbaues errichtet wurde. Um 1280 durch Brand zerstört, erhielt der Turm im Zuge der Wiederherstellung eine Aufstockung mit Zinnenabschluss. Sein heutiges Dach ersetzt ein etwas steileres Walmdach , welches wohl im 14. Jh. auf die Zinnen gesetzt wurde.

Nach dem Einsturz des alten Palas 1459 setzte 1460 ein Wiederaufbau ein, dessen Umfang sich nicht mehr genau ermitteln lässt. Sicher betrifft er Teile der im Süden und Osten an den Turm anschliessenden Trakte, die jedoch beide – nach ihren untersten Mauerpartien zu schliessen – älter sein müssen.

Eine letzte Erneuerung erfuhr das Schloss um 1505–10, als es von den Eidgenossen zum Landvogteisitz hergerichtet wurde. Unter Einbezug älterer Mauern entstand damals der noch heute bestehende Palas.