Zeitschrift, Mittelalter 2004/3

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Beschreibung

Adriano Boschetti-Maradi: Höfische Sachkultur – archäologische Zeugnisse aus dem Kanton Bern

Christian Saladin und Thomas Bitterli: Torre di Riazzino – adliger Wohnturm oder bäuerliches Turmhaus?

Jakob Obrecht: Sarnen OW, Kirchstrasse 1a

 

e-periodica.ch/2004/3

 

Adriano Boschetti: Höfische Sachkultur  – archäologische Zeugnisse aus dem Kanton Bern

Die Relikte einer höfischen Sachkultur – Waffen, Burgen und Wappen – lassen sich unterschiedlichen Gesellschaftsschichten zuweisen. Vom hohen Adel, dem eigentlichen Träger einer höfischen Kultur, zeugen im Kanton Bern nur noch einzelne Burgen des 11. und 12. Jahrhunderts, insbesondere das Schloss Burgdorf.

Im Umkreis des kiburgischen Burgdorf ist das Kästchen von Attinghausen entstanden, das ein seltenes und bedeutendes Zeugnis einer höfischen Kultur im Umfeld dieses Hofes ist. Grabmäler und andere Darstellung von Rittern sowie Waffenfunde des 12. bis 14. Jahrhunderts sind im Berner Mittelland selten.

Relativ zahlreich sind indes die Zeugnisse einer Adelskultur im Berner Oberland. Die Familien von Strättligen, von Ringgenberg, von Kien und von Weissenburg haben mit Waffen, Schachfiguren, Burgen, Grabmälern und bildlichen Darstellungen eine ganze Reihe von typisch adligen Sachquellen hinterlassen. Sie zeugen vom hohen Standesbewusstsein dieser Familien im 13. Jahrhundert.

In der Stadt Bern sind vergleichbare Quellen viel spärlicher. Die meisten stammen von begüterten Adelsfamilien, etwa den Bubenbergern. Zwischen diesen Adelsfamilien und reichen Bürgern zeichnet sich nicht nur historisch, sondern auch anhand der Sachquellen ein Gegensatz ab. Die bürgerlichen Familien Berns scheinen sich abgesehen von der Heraldik geweigert oder gescheut zu haben, höfische Zeichen einzusetzen. Bestes Zeugnis davon ist die Wappenkiste von Aeschi, auf der sich um 1320 ausschliesslich bürgerliche Berner Familien mit ihren Wappen darstellen liessen.

 

Torre di Riazzino – Mittelalterlicher Wehrturm oder bäuerliches Turmhaus?

Auf einem schmalen Felskopf, ca. 100 m über dem Nordrand der Magadinoebene erhebt sich die Torre di Riazzino. Der viereckige Turm weist einen Grundfläche von 4,25 x 4,5 m auf und enthält im Untergeschoss einen Keller und im Obergeschoss einen Wohnraum. Der Keller ist von aussen zugänglich und mit einem Gewölbe überdeckt. Im Wohnraum sind zwei Fensteröffnungen, eine Tür und zwei Wandnischen erkennbar. Vom Dach gibt es keine Spur.

Da zu diesem Turm keine Schriftquellen gefunden wurden, die eine Wehr- oder Herrschaftsfunktion belegen, handelt es sich hier wohl nicht um einen adligen Wehrturm sondern um ein bäuerliches Turmhaus. Die Casa-torre ist im Tessin eine weitverbreitete Bauform vom 14. – 19. Jahrhundert gewesen. Es wird auch die Möglichkeit diskutiert, dass es sich bei dieser Ruine um einen Vogelfangturm (Roccolo) handeln könnte.

 

Sarnen, Kirchstrasse 1a

Im Juni 2003 kamen am Fusse des Landenbergs in Sarnen während der Überwachung des Aushubes einer Baugrube drei Mauerzüge und knapp 100 m2 eines ausgedehnten Pfahlfeldes zum Vorschein. Die älteste aus grossen Blöcken trocken aufgeschichtete Mauer (Mauer M3) scheint aus der selben Zeit zu stammen, wie das dendrochronologisch ins 15. Jahrhundert datierte Pfahlfeld. Vermutungen gehen dahin, dass die Mauer als Uferverbauung der Sarner Aa diente und das Pfahlfeld zur Stabilisierung des Untergrundes im Bereich einer ehemaligen Schifflände eingerammt worden ist. Die beiden jüngeren, über dem Pfahlfeld liegenden Mauerzüge (Mauern M1, M2) sind vermutlich die letzten Fundamentreste von zwei aufeinander folgenden hölzernen Ökonomiegebäuden aus dem 17./18. Jahrhundert.