Beschreibung
Mathias Glaus und Daniel de Raemy: Der grosse Turm von La Tour-de-Peilz. Rekonstruktion der Baugeschichte vom «rudolfingischen» Ursprung (ca. 979–1017) bis zum Umbau unter den Savoyern (vor 1288–1305)
Die Burg La Tour-de-Peilz (VD) beherbergt das Schweizer Spielmuseum. Im Hinblick auf eine mögliche Erweiterung wurde die obere Terrasse im Sommer 2018 vom Büro Archéotech SA ausgegraben. Dabei wurde ein bedeutender Teil des ursprünglichen Kernburg freigelegt.
Die ursprüngliche Burg des Jahrs 1000 bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts
Um das Jahr 1000 wurde auf einem Felsvorsprung, der in den Genfer See hineinragt, ein erster Turm errichtet (Phase I). Er hatte einen rechteckigen Grundriss von 16,5 m x 11,5 m und ist noch in einer Höhe von 4,3 bis 4,8 m erhalten.
In einer zweiten Phase wurde der Turm an seiner Nordost- und Südostseite durch eine Umfassungsmauer verstärkt (Phase II). Diese Mauer, die einen Abstand von 3,8 m zum Turm aufweist, ist auf ihrer Innenseite durch eckige Wandpfeiler gegliedert, die jeweils mit einem entsprechenden am Turm angefügten eckigen Wandpfeiler korrespondieren, wahrscheinlich um einen Geschossboden zu tragen. Die Pfeiler gliederten den gesamten unteren Stockwerkbereich wie eine Galerie. Dieser Bereich war durch eine Tür in der Nordostwand zugänglich. Der Sockel des Turms ohne Maueröffnungen diente vermutlich als Keller, während sich die Wohnräume in den nicht erhaltenen Geschossen befanden, deren Anzahl unbekannt ist. Diese beiden ersten Bauphasen wurden anhand von Radiokarbonanalysen mehrerer Materialien datiert. Der Bau des Turms konnte auf die Zeit zwischen 979 und 1017 (14C) und die nachträgliche Ummauerung auf die Zeit zwischen 944 und 1028 (14C) festgelegt werden. Es handelt sich also um einen Konstruktion mit zwei sehr nahe beieinander liegenden oder sogar aufeinanderfolgenden Phasen.
Dieser rechteckige Turm wurde zuvor auf das Ende des 12. Jahrhunderts datiert und mit den Bauten der Zähringer verglichen; die Ausgrabungsergebnisse deuten daraufhin, dass er älter ist, sodass nun eine genauere Datierung vorliegt, als sie sonst für mittelalterliche Burgen vor dem 13. Jahrhundert in der Region üblich ist. Um das Jahr 1000 lag La Tour-de-Peilz im Zentrum des Königreichs Burgund (888–1032) in den Gebieten, die Rudolf III. (993–1032) kontrollierte, der übrigens häufig in Vevey bezeugt ist. Dass keine schriftlichen Quellen dazu vorhanden sind, lässt vermuten, dass der neue Turm vermutlich mit Zustimmung der königlichen Herrschschaft erbaut wurden. Die Burg gehörte wahrscheinlich nicht dem königstreuen Bischof von Lausanne, da dessen Burgen alle mehr oder weniger im Kartular des Domkapitels von Lausanne erwähnt sind (Avenches, Lucens, Ouchy, Dommartin, St-Prex usw.). La Tour-de-Peilz könnte eine Antwort auf die Burg Chillon gewesen sein, die an der Engstelle der Nord-Süd-Verkehrsachse errichtet wurde, die über den Grossen St. Bernhard nach Italien führt. Da damals der Bischof von Sitten Herr von Chillon war, könnte La Tour-de-Peilz eine Antwort des Grafen von Genf gewesen sein, der in der Region begütert war.
Später wurde im Norden, unterhalb des Turms und des Felsvorsprungs, ein Wohngebäude (11,3 x 24 m) errichtet (Phase III). Dieses Gebäude enthielt wahrscheinlich bereits eine Aula, deren Existenz später belegt ist. Um 1200 wurde der südliche Teil des Umfassungsmauer abgetragen und umgestaltet, indem eine polygonale Kurtine hinzugefügt wurde (Phase IV). Der Raum zwischen dem Wohngebäude und der Umfassungsmauer wurde aufgefüllt und mit Mauern verbunden, von denen nur noch die Fundamente erhalten sind. Dies geschah wohl, um die Verbindung zwischen den beiden Gebäuden zu erleichtern.
Das Haus Savoyen und die großen Bauarbeiten von 1282 bis 1305
Zwischen 1248 und 1255 erwarb Peter von Savoyen die Burg schrittweise von Philippe de la Tour; er baute sie jedoch nicht aus, da er weiterhin die Burg Chillon besass, die seit 1150 im Besitz der Savoyer war.
Die Burg La Tour-de-Peilz wurde im Rahmen einer grossen Baumassnahme erweitert, die vor 1282 von Philipp von Savoyen begonnen und ab 1285 bis 1305 (Phase V) von seinem Nachfolger Amadeus V., der sich häufig vor Ort aufhielt, fortgesetzt wurde. Ab 1288 finden sich in den savoyischen Rechnungsbüchern genaue Angaben über die Art der Arbeiten. Der Rohbau war zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen.
Zwischen 1282 und 1288 wurde der Wohnbereich der Aula nach Norden hin erweitert. Die Burg wurde durch eine neue Wehrmauer mit zwei Rundtürmen erweitert. Der alte Hauptturm wurde zwischen 1300 und 1305 umgebaut. An den Südost- und Nordostflanken der Umfassungsmauer wurde ein Wall errichtet, um diesen Teil der Burg zu verteidigen und gleichzeitig die erhöhte Grundfläche um den Turm herum zu vergrössern, um dort verschiedene Bauten zu errichten. Die Umfassungsmauer wurde gewissermassen «eingemottet».
Der Turm wurde komplett umgebaut, um die Wohnung des Burgherrn zu beherbergen. Quellen belegen fünf Geschosse. Auf der Aufschüttung befand sich das Küchengebäude. Der Zugang erfolgte über eine Treppe vom grossen Hof aus. Im See wurden zwei Latrinentürme errichtet, von denen einer zum grossen Turm und der andere zum Küchenbereich gehörte. Von all diesen Arbeiten, die nur in den Schriftquellen belegt sind, kann die Archäologie lediglich feststellen, dass im ursprünglichen grossen Turm ein Fussboden aus Kieseln und kleinen abgeschlagenen Steinen eingebracht wurde; ein oder sogar zwei Pfeiler, die den mittleren Pfeiler ergänzen, wurden in der Längsachse errichtet. Die Pfeiler der Umfassungsmauer wurden herausgerissen.