Beschreibung
Valentine Chaudet: Das Haus Charbon – Ein Turmhaus in der Oberstadt von Lausanne
Marie-Paule Guex und Brigitte Pradervand: Unerwartete Dekormalereien von Bischof Guillaume de Challant in den Ecktürmchen von Château Saint-Maire in Lausanne
Das Haus Charbon – Ein Turmhaus in der Oberstadt von Lausanne
Der Wiederaufbau des Parlaments 2014/16 bot die Möglichkeit, ein romanisches Turmhaus in der Oberstadt von Lausanne zu dokumentieren. Obwohl fragmentarisch, deuten die im heutigen Denkmal erhaltenen und wieder sichtbar gemachten Überreste auf ein Gebäude von bemerkenswerter Qualität hin.
Die technischen Eigenschaften des Gebäudes zeigen eine Leidenschaft für die Kunst des Bauwesens und der antiken Technik (Ausführung, Stereotomie, Filterzisterne), was an die die Renaissance des 12. Jahrhunderts erinnert, die sich damals in verschiedenen Regionen in unterschiedlichen Formen manifestierte. Die Komposition der Fassaden und der ornamentalen Motive zeigt hier jedoch keine ähnliche Inspiration. Die Mehrheit der Vergleichselemente ist in einem geografischen Gebiet zusammengefasst, das die nördliche Hälfte Frankreichs und den germanischen Einflussbereich umfasst. Die Zuordnung des Gebäudes zum 3. Quartal des 12. Jahrhunderts basiert auf technischen, strukturellen und stilistischen Vergleichen sowie archäologischen Funden und Radiokarbonmessungen.
Die Identifizierung des Gebäudes in mittelalterlichen Quellen bietet die seltene Gelegenheit, archäologische und historische Daten für ein Privathaus zu vebinden. Das Gebäude, das wahrscheinlich als sekundäre oder zusätzliche Verteidigung konzipiert war, ist eine Residenz, deren Besitzer – die Familie Charbon aus dem 13. Jahrhundert – zu einem wohlhabenden sozialen Personenkreis in der unmittelbaren Umgebung des Bischofs gehören.
Die Entdeckung in unmittelbarer Nähe anderer Mauerwerke aus der gleichen Zeit zeugt von der Notwendigkeit, das Bild der romanischen Stadt, die überwiegend aus Holz gebaut wurde, zu relativieren. Die Steinarchitektur des Charbon-Hauses ist in Lausanne wohl kein isoliertes Phänomen. Der Parlamentsstandort ist von großem Interesse für das Wissen über die Stadt zu einer Zeit, in der die Kathedale wieder aufgebaut wird und die Stadt sich in einem beispiellosen Wandel befinden.
Unerwartete Dekormalereien von Bischof Guillaume de Challant in den Ecktürmchen von Château Saint-Maire in Lausanne
Château Saint-Maire ist eine befestigte Residenz mit einer Turmbekrönung, die dem zweiten Besitzer, Bischof Guillaume de Challant (1406–1431), zu verdanken ist. Der zinnenbewehrte Wehrgang ist seltsamerweise an jeder der vier Ecken des Gebäudes durch Türme blockiert. Die Zugänge zu diesen orientieren sich gegen das Gebäudeinnere und sind daher eher für zivile als für militärische Zwecke geeignet.
In zwei der vier Türme tauchten Fragmente von Wandmalereien unter Tünchen auf, als alte Archivregale versetzt wurden. Diese kleinen, im Mittelalter beheizten Räume erhielten aufwändige heraldische Verzierungen, die durch Analyse der Archäologie und Kunstgeschichte Guillaume de Challant zugeschrieben werden. Im einen Raum waren Wappenschilder an Bäumen aufgehängt, im anderen Raum war die Imitation eines Wandteppiches aufgemalt, der von Figuren begleitet wird. Obwohl leider sehr verwischt, offenbaren die Dekormalereien die Anwesenheit eines Qualitätskünstlers. Kleine Arbeitszimmer oder Aussichtspunkte, die den Blick auf die Stadt und den Genfersee freigeben, zeigen in diesen turmartigen Installationen eine unerwartete Nutzung dieses Teils der defensiven Bekrönung der Burg.